Eine Hauptinspirationsquelle bezieht die Fasnet in der Bischofsstadt aus der Zeit des ausgehenden Mittelalters: Der Zeit, in der die ‚Gräfin‘ Mechthild in Rottenburg residierte. Sie ist als Schirmherrin des fastnächtlichen Treibens und als eine Hauptfigur bis in die Gegenwart präsent.
Geboren wurde Mechthild 1419 als Tochter des Pfalzgrafen Ludwig III. und heiratete in erster Ehe den württembergischen Grafen Ludwig. Aus dieser Verbindung stammt mit Eberhard (im Bart) der spätere erste württembergische Herzog, der mit seiner Frau Barbara ebenfalls als Figur in der Rottenburger Fasnet auftritt. Mechthild kam als Gemahlin ihres zweiten Mannes, dem Erzherzog und Kaiserbruder Albrecht VI. an den Neckar. Genaugenommen wäre unsere ‚Gräfin‘ also eine Erzherzogin. Hier richtete sie sich, zumeist räumlich von ihrem Gatten getrennt, einen ‚Musenhof‘ ein und zeichnete sich als große Förderin von Kunst und Literatur aus. Und in diesem Zusammenhang stoßen wir auf eine weitere Spur. Denn an ihrem Hof in Rottenburg, so schildert die Zimmerische Chronik, soll sie „große höf, auch cöstliche vasnachten“ [5] gehalten haben. Des Weiteren steht dort, dass sie „ainsmals ein fasnacht zu Rotenburg [hielt], und war ain groß rennen und stechen uf dem Mark“ [6]. Im Umfeld von Mechthilds Hof befindet sich darüber hinaus eine weitere Figur, die aus der heutigen Rottenburger Fasnet nicht wegzudenken ist. Der als „ Stammvater der [heutigen] Laufnarren geltend[de]“ [7] Ofenheizer Halberdrein. Als Hofnarr sorgt er jedes Jahr für eine tolle Stimmung bei den unterschiedlichsten Veranstaltungen und unterhält das närrische Volk mit seinen Reden.
Rottenburg gehörte im ausgehenden Mittelalter also zum katholischen Vorderösterreich und nicht zum benachbarten Württemberg. Für die Fasnet in Rottenburg sollte sich dies als Glücksfall erweisen. Während das württembergische Umland sich ab 1534 unter Herzog Ulrich dem neuen Glauben anschloss [8], der sich fastnächtlichen Bräuchen gegenüber kritisch entwickeln sollte, blieb Rottenburg katholisch.
[5] Zimmern, Froben Christoph von: Zimmerische Chronik. Band I. Herausgegeben von Karl August Barack. Freiburg, Tübingen 1881, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: http://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_1_454.jpg&oldid=1264351Abruf: 12.10.2011.
[6] Ebd.
[7] Schwarz, Reinhard/ Henseler, Kurt: Oh was Bogges, S. 11.
[8] Vgl.: Lorenz, Sönke/ Mertens, Dieter/ Press, Volker: Das Haus Württemberg. Ein biographisches Lexikon. Stuttgart 1997, S. 105.