Über die Fastnachtsbräuche in den kommenden Jahrhunderten gibt es immer wieder Spuren. Reinhard Schwarz und Kurt Henseler schreiben, dass in der Zeit nach der Reformation auch in den „altgläubigen Gegenden […] die Obrigkeit eifrig bemüht war, die immer mehr um sich greifenden Fastnachtsmummereien zu unterdrücken“ [9] und die Fastnacht mit Verboten zu belegen. Darüber hinaus schrieb Rottenburg als ein Zentrum der Hexenverfolgung in Süddeutschland im 16. Jahrhundert unrühmliche Geschichte. Etwa 5 % der damaligen Hinrichtungen wegen Hexerei sollen hier stattgefunden haben [10]. Im Jahre 1616 stoßen wir dann wieder auf eine interessante fastnächtliche Begebenheit, über die wie folgt berichtet wurde: So soll die Obrigkeit der Stadt geboten haben „ nit in Butzen weiß gehen. Item (auch) es soll keiner mit Teufels Klaidern oder sonsten in Butzenweiß gehen bey Poen eines Hellers Pfund“ [11]. Hier treten also eindeutige Hinweise auf, die als Zeichen eines närrischen Treibens zu verstehen sind. Wir haben sogar eine Figur, die sich zur Fastnachtszeit in Anlehnung an die heutige Ahlandfigur bereits weiß gekleidet hat und zumindest für so viel Aufruhr sorgte, dass sich die Obrigkeit gezwungen sah, dagegen vorzugehen. Auch für das Jahr 1685 lassen sich Spuren eines fastnächtlichen Treibens in der Grafschaft Hohenberg festmachen. So verbietet ein Erlass der Regierung Vorderösterreichs „zu jetziger Faßnacht=Zeiten alle und jede Mascaraden/Mummereyen“ [12]. Nicht zuletzt die immer wieder notwendig zu scheinenden (misslungenen) Unterbindungsversuche von offizieller Seite zeigen, dass eine kontinuierliche närrische Tradition vorhanden war und dass sich diese auch nicht unterkriegen ließ. Wie genau diese aber gerade in Rottenburg aussah, darüber lässt sich zumeist nur spekulieren. Nach der Französischen Revolution, die wichtige Impulse für das gesellschaftliche Leben und das nun langsam aufstrebende Bürgertum mit sich brachte, entstand auch für Rottenburg eine neues Kapitel Fastnachtsbrauchtum: Jetzt begann die Zeit der Maskenbälle. Für das Jahr 1793 ist vermerkt, dass dem „Kaiserwirt Fidelis Camesaska gestattet ist, einen Faschingsball im oberen Rathaussaal abzuhalten“ [13]. In den folgenden Jahren ergaben sich auch landesverwaltungstechnisch große Veränderungen für Rottenburg. Napoleon übernahm in Frankreich die Herrschaft und revolutionierte auf seinem Weg durch Europa die Verwaltung der deutschen Territorialstaaten nachhaltig. Der Kaiser von Österreich musste im Frieden von Pressburg die Grafschaft Hohenberg an Württemberg abtreten [14]. Somit war die Stadt Rottenburg am Neckar jetzt nicht mehr Teil des katholischen Vorderösterreich, sondern gehörte nunmehr einem zuvor mehrheitlich protestantischen Land an. In der Folgezeit entwickelte sich allerdings die Fastnacht in der neuen Form der Maskenbälle weiter. Hier tat sich vor allem das Bürgertum hervor und schuf letztendlich eine standesorientierte närrische Abgrenzung zu den ärmeren Schichten, welche laut Schwarz/Henseler den „Fastnachtstanz in den Kneipen [feierten]. [15]“ Es gab also parallel zur neuen Mode weiterhin eine traditionelle Fastnachtskultur, in der sich viele Merkmale der heutigen Fastnacht verorten lassen.
[9] Schwarz, Reinhard/ Henseler, Kurt: Oh was Bogges, S. 11.
[10] Vgl.: Manz, Dieter: Rottenburger Stadtgeschichte. Rottenburg [2]2002, S. 56.
[11] Aus einer Vogtgerichtsordnung der Stadt Rottenburg aus dem Jahr 1616. Zitiert nach: Schwarz, Reinhard/ Henseler, Kurt: Oh was Bogges, S. 12.
[12] Aus einem Erlass der Regierung Vorderösterreichs von 1684. Zitiert nach: Schwarz, Reinhard/ Henseler, Kurt: Oh was Bogges, S. 12.
[13] Schwarz, Reinhard/ Henseler, Kurt: Oh was Bogges, S. 14.
[14] Vgl.: Manz, Dieter: Rottenburger Stadtgeschichte. Rottenburg [2]2002, S. 103.
[15] Schwarz, Reinhard/ Henseler, Kurt: Oh was Bogges, S. 17.